Seine Wortgewalt war legendär und Martin Luther ein unermüdlicher Streiter für seine Ideen.

Doch nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Prediger wirkte er zeit seines Lebens. Insgesamt hielt er ungefähr 3.000 Predigten, von denen circa 2.000 überliefert sind. Nun hat es der Kirchenhistoriker PD Dr. Roland M. Lehmann von der Universität Jena unternommen, insbesondere Luthers Predigten außerhalb Wittenbergs zu erforschen, von denen 99 inhaltlich überliefert sind. Seine Erkenntnisse hat Lehmann aktuell auf über 600 Seiten veröffentlicht. Das Buch trägt den Titel „Reformation von der Kanzel. Luther als Reiseprediger“ und ist im Verlag Mohr Siebeck in der Reihe „Beiträge zur historischen Theologie“ erschienen.

Martin Luther bereitete seine Predigten sorgfältig vor

Wie kaum ein anderer Theologe vor ihm wirkte Luther durch sein öffentliches Auftreten auf der Kanzel. Im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stand der Reformator immer dann, wenn er die Stadtgrenzen von Wittenberg verließ und die Kanzeln der Kirchen außerhalb der Elbestadt betrat. So predigte er nicht nur im Wittenberger Umland, sondern beispielsweise auch in den Städten Leipzig, Weimar, Eisleben oder Coburg. Neben den Kanzelreden zu den regulären Gottesdiensten hat Luther zahlreiche Kasualpredigten außerhalb Wittenbergs gehalten – also Predigten zu besonderen Anlässen wie Taufen oder Hochzeiten. Wahrlich welthistorisch war jene Predigt, die Luther 1542 in Naumburg hielt: Der Geistliche Nikolaus von Amsdorf wurde damals als erster evangelischer Bischof in sein Amt eingeführt.

Luther sei ein Kanzelredner gewesen, der seine Predigten sorgfältig vorbereitete, sagt Roland M. Lehmann. Dank seines Gefährten Georg Rörer kann die Forschung auf zahlreiche Mitschriften der Predigten zurückgreifen. Überliefert sind auch wenige seiner Notizzettel, mit denen er die Predigten vorbereitete. „Die Predigten sind zwar nicht immer dem Wortlaut nach überliefert, lassen sich aber dennoch rekonstruieren“, erläutert Lehmann. Die Transkription sei schwierig, weil Rörer oft Wörter abgekürzt hat und die Worte Luthers in einem Mix aus Latein und Deutsch festhielt, obwohl Luther selbst auf der Kanzel deutsch sprach. Der Blick auf den jeweiligen historischen Kontext zeige zudem, dass Luther die Menschen immer wieder in seinen Bann zog und auch auf tagesaktuelle Ereignisse einging.

Der Kirchenhistoriker Roland M. Lehmann mit seinem neuen Buch vor der Grabplatte Luthers in Jena. (Foto: Anne Günther/Universität Jena)
Dr. Roland Lehmann, Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, aufgenommen am 16.06.2021. Foto: Anne Günther/Universität Jena

Inhaltlich spiegeln Luthers Predigten sein gesamtes theologisches Denken wider. Ein immer wiederkehrendes Thema war jedoch die Frage nach der wahren Frömmigkeit, die eng mit Luthers Ablehnung des päpstlichen Ablasshandels verknüpft war, die auf der Auffassung basiert, man könne durch Werke gerecht werden. Die Predigten zeigen zudem das Ringen des Reformators um eine neue Auslegung der Heiligen Schrift. Es sei faszinierend, wie Luther es immer erneut schafft, die Bibel mit den Erfahrungen seiner Gemeinde zu verbinden, so Lehmann. Eine solche schriftauslegende Erfahrungstheologie mache Luther zu einem Prediger von Weltrang.

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